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Liktorenbündel |
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LIKTORENBÜNDEL
I
Paraden ohne Ende. Die Herrschenden stellen sich zur Schau.
Öffentlichkeit verkommt zum egomanischen Genuß an der
Selbstinszenierung.
II
Unablässig erbricht sich der Schlund der Geschichte. Und irgendwann
kommen sie dann. Sie sind immer dabei. Vor ihnen: die Heerscharen der
Soldaten; Bedienstete schleppen die Beute; Wächter treiben die Sklaven;
Orden auf Samt gebettet fehlen nicht, wie auch die Ausrufer der
Ruhmestaten.
Nach ihnen: nur noch der Machthaber. Er selbst. In seinem Glanz.
Sie: die Liktoren. Auf ihren Schultern tragen sie die Bündel. Ruten
fest geschnürt und eingebunden das Beil. Die Insignien der Macht. Der
Macht über Leben und Tod.
III
Hier schon beginnt das Sich-Beugen der Menge. Wer da noch kommt, wird
kaum wahrgenommen. Die Gesichter des Herrschers bleiben unerkannt. Als
ob seine Stärke auf Symbolen ruht, als ob es die Zeichen sind, die aufs
Knie zwingen. Wer glaubt schon ohne Kreuz, wer neigt sich schon, ohne
die Krone zu sehen, wer zittert schon ohne die Schrift an der Wand.
Herrscher ohne Liktoren stürzen bald.
IV
Sie sind die willfährigen Diener der Obrigkeit. Ihr Blick scheint sogar
Stolz zu verraten. Das Begehren der Menge nach Nähe, Berühren läßt sie
die Last der Bündel vergessen. Ihre Gesichter spiegeln nur den Schein
der Macht auf ihren Schultern.
V
Wo kommen sie her? Wer hat sie berufen? Wann wurden sie eins mit den Ruten in ihren Händen?
VI
Am Ende jedoch hilft kein Selbstopfer - die Parade verliert sich, löst
sich auf. Diese wie jede andere. Verschluckt scheinbar vom gefräßigen
Maul der trampelnden, drängenden Leiber. Zerstreute Beute, Soldaten,
Liktoren. Am Boden nur bleiben zurück deren Bündel: manche zerfleddert,
zerbrochen, manche aber noch fest und stark.
VII
Die neue Parade hat schon längst begonnen.
Madeleine Heublein
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